Wegweiser für die Energie- und Klimaschutzpolitik

Die Energiestadt Winterthur stellt mit den neuen «Grundlagen Energiekonzept 2050» die Wegweiser in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft. Für die Bereiche Strom, Wärme und Mobilität wurden konkrete Handlungsschwerpunkte festgelegt. Der Klimawandel und die intensive Nutzung der Ressourcen bedingen ein Umdenken und ein konkretes, nachhaltiges Handeln.
Die zukunftsfähige Gesellschaft
Die «Grundlagen Energiekonzept 2050» orientieren sich an den Inhalten und Zielen der 2000-Watt- und 1-Tonne-Co2-Gesellschaft. Diese strebt langfristig einen reduzierten Primärenergiebedarf an, der maximal 2000 Watt Dauerleistung pro Person entspricht sowie einem CO2-Ausstoss von nicht mehr als einer Tonne pro Kopf der Bevölkerung und Jahr. Für die Schweiz bedeutet dies für das Zwischenziel per 2050 eine Senkung des Primärenergieverbrauchs um den Faktor 2 und eine Reduktion des CO2-Ausstosses um den Faktor vier gegenüber dem Referenzjahr 2005. Die von «Energie Schweiz» definierten Energiestadt-Zielwerte per 2050 wurden für die Winterthurer Grundlagen übernommen. Als Primärenergie gelten die gesamte Energie, welche für die Gewinnung, Umwandlung, Bereitstellung und Verteilung verbraucht wird, sowie die Endenergie, die dem Verbraucher schlussendlich zur Verfügung steht.

Werte im Vergleich
Die Winterthurer Ausgangswerte (2008) liegen beim Primärenergieverbrauch rund 20 Prozent und bei den Treibhausgasemissionen rund 25 Prozent unter dem schweizerischen Durchschnitt. Das gute Resultat entspricht den Erwartungen, da grössere Städte gegenüber dem Landesdurchschnitt aufgrund der höheren Dichte und des besseren ÖV-Angebots generell im Vorteil sind. Winterthur fällt im Vergleich zum Landesdurchschnitt positiv auf beim hohen Anteil der Wärme- und Stromproduktion durch die Kehrichtverwertungsanlage und dem Strommix mit bereits heute sehr tiefen

Treibhausgasemissionen.
Drei Schwerpunkte: Strom, Wärme und Mobilität
Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft beinhaltet die schrittweise Senkung des Primärenergieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen: den so genannten Absenkpfad. In den «Grundlagen Energiekonzept 2050» wurden für die Bereiche Strom, Wärme und Mobilität konkrete Handlungsschwerpunkte definiert. Mit dem Berechnungsszenario, das von einer Stromversorgung mit zu 100 Prozent erneuerbaren Energien ausgeht, liegt das langfristige Ziel von 2000 Watt pro Person bereits per 2050 in Reichweite. Der Zielwert für die Treibhausgasemissionen von zwei Tonnen pro Person per 2050 kann nur knapp erreicht werden. Für die Bereiche Gebäudewärme und Strom kann das Reduktionspotenzial bereits weitgehend ausgeschöpft werden. Eine weitere Reduktion der Treibhausgasemissionen kann nach 2050 nur durch eine weitere Senkung des Anteils im Bereich Wärme für Industrie und Prozesse und im Bereich Mobilität erreicht werden.
Die Nachfrage nach Elektrizität wird durch das Wachstum der Stadt sowie durch die Verlagerung aus dem Wärmebereich (Wärmepumpen) und aus dem Bereich Mobilität (Elektrofahrzeuge) angetrieben. Durch die effiziente Nutzung vorhandener Potenziale und mit der Anwendung zukünftiger Technik kann der Nachfragedruck teilweise kompensiert werden. Anzunehmen ist eine Zunahme beim Stromverbrauch von 15 bis 25 Prozent ausgehend von 2008 bis 2050. Die Nachfrage wird dann voraussichtlich stagnieren.

Stromversorgung der Zukunft
Für den zukünftigen Stromverbrauch und Produktionsmix per 2050 wurden zwei Szenarien untersucht: Szenario A geht davon aus, dass der Bau neuer Kernkraftwerke (KKW) mit nationalem Volksentscheid in den Jahren 2012–2014 abgelehnt wird. Damit ist der Bau neuer KKW in der Schweiz längerfristig blockiert, und als Folge davon müssen die Anstrengungen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen stark erweitert werden. Szenario B geht davon aus, dass dem Bau neuer KKW in der Schweiz zugestimmt wird, und damit Strom aus KKW auch nach 2050 einen wesentlichen Anteil der Stromversorgung abdecken wird. Die Berechnung für die zwei Szenarien A und B zeigt deutliche Unterschiede bei der Primärenergie. Mit Szenario A wird angenommen, dass per 2050 die Stromversorgung vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt ist. In Szenario B bleibt ein Anteil Strom aus Kernkraftwerken bestehen. Der zukünftige Verbrauchermix Strom ist für die Treibhausgasbilanz von untergeordneter Bedeutung, solange die Stromerzeugung mit fossilen Brennstoffen ausgeschlossen bleibt.
Stadtrat Matthias Gfeller begrüsst den jüngsten Nationalratsentscheid zum Atomausstieg: «Für städtische Energieversorger wie Stadtwerk Winterthur wird dieser Entscheid eine grosse Herausforderung darstellen. Das Positive ist jedoch, dass die Stadtwerke im Vergleich zu den Versorgern welche KKW betreiben nun ‹mehr oder weniger gleich lange Spiesse› im liberalisierten Strommarkt erhalten werden.»

Wärme für Gebäude
Trotz Zuwachs der Gebäudeflächen kann – mit der Erhöhung der energetischen Erneuerungsrate beim Gebäudebestand und kombiniert mit dem Aufbau einer auf Abwärme und Umweltwärme basierenden Wärmeversorgung – der Energieverbrauch Wärme wesentlich reduziert werden. Der zukünftige Wärmebedarf per 2050 wird zu rund 80 Prozent mit Umweltwärme, Solarwärme, Abwärmenutzung und mit erneuerbaren Brennstoffen abgedeckt. Der Verbrauch an fossilen Brennstoffen kann per 2050 auf 14 Prozent gegenüber heute reduziert werden. Als Grundlage für die räumliche Koordination der zukünftigen Wärme- und Kälteversorgung erfolgte eine Auswertung des Ist-Zustandes des Energiebezuges für die Wärmeversorgung des Siedlungsgebietes im Geographischen Informationssystem (GIS) und die Erfassung der dazu nutzbaren Energiepotenziale für die Nutzung von Umweltwärme, Abwärme und erneuerbaren Energien. Damit liegen die erforderlichen Grundlagen für die in den nächsten Schritten folgende räumliche Koordination der Wärme- und Kälteversorgung respektive für die Überarbeitung des 1998 erstellten Energieplanes vor. Die Umsetzung des Energieplanes erfordert eine permanente Koordination insbesondere auch des Energieangebots und der Nachfrage über das ganze Stadtgebiet.

Die Mobilität von Morgen
Die Kilometerleistung des motorisierten Individualverkehrs muss kurzfristig stabilisiert und langfristig reduziert werden. Eine konsequente Parkraumbewirtschaftung – in Kombination mit attraktiven Angeboten des öffentlichen Verkehrs – führt zu diesem Ziel. Unterstützt durch zukünftig wesentlich energieeffizientere Fahrzeuge sinken der Verbrauch fossiler Treibstoffe und die Treibhausgasemissionen auf unter 50 Prozent der heutigen Werte (Mobilität inklusive Flugverkehr).

Investitionen und grosse Einsparungen
Für das Stromszenario A (ohne Atomstrom) sind für die Periode von 2010 bis 2050 im Durchschnitt rund elf Prozent höhere Stromkosten im Vergleich zu Szenario B (mit Atomstrom) berechnet worden. Nach 2050 beträgt die relative Kostendifferenz von Szenario A zu Szenario B rund 30 Prozent. Für die Stromversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien gemäss Stromszenario A sind so per 2050 und danach rund 45 Millionen Franken pro Jahr Mehrkosten gegenüber Szenario B zu erwarten.
Durch die Steigerung der energetisch wirksamen Erneuerungsrate bei den heute bestehenden Gebäuden um den Faktor zwei wird eine Erhöhung der gesamten Bautätigkeit in Winterthur um rund 20 Prozent abgeschätzt. Die Überwälzung der Investitionen für die energetische Gebäudeerneuerung dürfte auch zu einer Erhöhung der Wohnungskosten führen. Im Konzept werden diese Mehrkosten auf zehn Prozent der heutigen Kosten geschätzt. Stadträtin Pearl Pedergnana präzisiert: «Es braucht von allen an der Gesellschaft Beteiligten eine fokussierte technische, rechtliche, finanzielle und politische Unterstützung, um die formulierten energetischen Ziele bei den Gebäuden zu erreichen.» Mit der Reduktion der fossilen Energien im Bereich Wärme können im Zeitraum bis 2050 rund 33 Millionen Franken durchschnittlich pro Jahr eingespart werden. Es wird davon ausgegangen, dass die neue CO2-freie Wärmeversorgung Gesamtkosten in gleicher Höhe wie die Einsparung bei den fossilen Energien aufweist und die Umstellung der Wärmeversorgung damit als grobe Schätzung kostenneutral ist. Für die Energieeinsparung im Bereich Mobilität sind in den «Grundlagen Energiekonzept 2050» keine Kosten ausgewiesen, da die entsprechenden Investitionen auf andere Bilanzgruppen (Verkehrsmassnahmen und Fahrzeugbeschaffung) verteilt sind und als «Ohnehin-Kosten» betrachtet werden. Das ist ein Paradebeispiel dafür, dass sich nachhaltige lokale Investitionen für die Bevölkerung, die Umwelt und das Gewerbe langfristig auszahlen.

Weitere Schritte
Basierend auf den neuen «Grundlagen Energiekonzept 2050» wird im Jahr 2012 ein Aktivitätenprogramm mit Massnahmen erarbeitet. Für die Wirkungskontrolle werden alle vier Jahre die bisherigen Kennzahlen des Umweltberichts, die Kernindikatoren Umwelt sowie die zusätzlichen Kennzahlen von Energiestadt erhoben und beurteilt.
Die «Grundlagen Energiekonzept 2050», Grafiken und weitere Informationen stehen auf der Webseite zur Verfügung.

www.ugs.winterthur.ch

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